Karate als Lebensweg

Karate präsentiert sich für den Laien heute in erster Linie als Wettkampfsport bzw. als Methode der Selbstverteidigung. Karate ist aber ein System körperlicher und geistiger Schulung, dessen Wurzeln in ostasiatischen bzw. indischen Lehren beheimatet sind. Der wohl wichtigste Einfluss auf das Karate kommt aus dem Zen-Buddhismus. Durch die inzwischen weltweite Verbreitung des Karate als Sport sind diese geistig-philosophischen Wurzeln leider immer mehr in Vergessenheit geraten. Als eine der wesentlichen Wurzeln des modernen Karate gilt das Shaolin-Kloster in China. Der Mönch Bodhidharma soll die Prinzipien des Zen: Absichtslosigkeit, Achtsamkeit und vollkommene Konzentration auf die durchzuführende Technik (im Karate als „Zanshin“ bezeichnet) nach China gebracht haben. „Tue das, was Du tust, ganz“ ist eine der typischen Lehrsprüche des Zen.

Der Geist soll von allen Ablenkungen und Störungen freigemacht werden. Letztlich soll man auch von der Absicht zu siegen frei werden, einerseits weil dies schon die Aufmerksamkeit bindet und so die Konzentration auf die Technik beeinträchtigt wird, andererseits soll durch diese mentale Grundhaltung auch der Charakter reifen und nicht der Wille zum Siegen als letztes Ziel gefördert werden.
Das Üben von Karatetechniken bei voller Konzentration (= Zanshin) entspricht damit sowohl der Zenlehre, also dem Prinzip des leeren Geistes, als auch dem des Karate (= leere Hand), womit ursprünglich das Prinzip des waffenlosen Kampfes gemeint war. Ein weiteres wichtiges geistiges Prinzip ist jenes des Do, das Wohl am besten mit Weg übersetzt wird, also Karate-Do, heißt der Weg des Karate.
Die ständige Wiederholung von Grundtechniken führen nicht nur zur Verbesserung der technischen Fähigkeiten, sondern auch zur inneren Entwicklung, weil hier das Prinzip des beharrlichen konzentrierten Übens, ähnlich wie bei der Zen-Meditation verwirklicht wird, vorausgesetzt der Übende bemüht sich wirklich um die totale Konzentration auf die gerade durchgeführte Technik.
Auch die Einsicht, dass sich die Karatetechnik nicht in ein paar Monaten erlernen lässt, sondern dass eben jahrelanges beharrliches Üben notwendig ist, führt zu einer inneren Entwicklung im Sinne des „Do“.
Eine wesentliche Aussage des Do-Begriffes, ist, dass der Weg zum Ziel gemacht wird. Das Entscheidende ist also das ständige Üben, das zur körperlichen und geistigen Reifung führt.
Es ist wohl eine allgemein bekannte Lebensweisheit, dass man ohne eine gewisse Ausdauer kein Ziel erreichen kann. Karatetraining wirkt sich so auch günstig auf die allgemeine „Lebensschulung“ aus.
Jedenfalls wird jeder, der sich der Mühe eines langen ernsthaft geführten Trainings aussetzt, durch eine körperliche und geistige Entwicklung belohnt. Dies ist wichtiger als das Gewinnen von Wettkämpfen. Wer sich auf den Weg eines regelmäßigen Karatetrainings begibt, ist auf jeden Fall aufgerufen, sich auch mit dessen geistigem Hintergrund zu beschäftigen.

Menü